Satire und Karikatur
Die grimmigsten Gegner der Erbschaftssteuer sehen sich in ihren heiligsten Gütern bedroht. — In: Simplicissimus. — Jg. 14, Nr. 14, S. 225. — 5. Juli 1909
Bei der presserechtlichen Bewertung von Satire und Karikatur muss die Besonderheit dieser Darstellungsformen berücksichtigt werden. Hier sind also andere Maßstäbe anzulegen, als an durchweg ernst gemeinte Äußerungen.
Im Rahmen einer Satire oder einer Karikatur wird bewusst ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt. Es liegt im Wesen einer Satire, dass sie übertreibt. Dem Gedanken, den sie ausdrücken will, gibt sie einen scheinbaren Inhalt, der über das wirklich gemeinte hinausgeht. Der Leser oder Zuschauer wird in aller Regel jedoch erkennen, welche tatsächliche Aussage hinter der Satire steht.
Darstellungen im Rahmen einer Satire oder einer Karikatur dürfen aus diesem Grund rechtlich nicht nur vordergründig aufgefasst werden. Es muss zwischen dem Aussagekern und seiner humoristisch satirischen Ausgestaltung unterschieden werden. Der Aussagekern und die konkrete satirische Ausgestaltung sind jeweils getrennt voneinander rechtlich zu prüfen. Der Aussagekern ist rechtlich zu bewerten wie andere Äußerungen ebenfalls.
Die satirische Ausgestaltung genießt hingegen presserechtlich größere Freiheiten. Übertreibungen und Verzerrungen in sind Teil des satirischen Konzeptes. In einer Satire eine missverständliche Formulierung zu verwenden, ist daher nicht prinzipiell unzulässig. Dies gilt besonders für Personen der Zeitgeschichte (Prominente) und Politiker. Insbesondere dann, wenn die karikierte Person durch ihr Verhalten selbst Anlass zur Kritik gegeben hat. Satire und Karikatur in ihrer konkreten Ausgestaltung sind von dem Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt, gegebenenfalls können sie sogar eine Kunstform sein, die durch die Kunstfreiheit grundrechtlich geschützt ist.
Andererseits ist auch das Persönlichkeitsrecht der karikierten Person durch das Grundgesetz geschützt. Es ergibt sich also ein rechtliches Spannungsfeld zwischen dem Schutz der konkreten Satire und dem Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen. Eine rechtlich zulässige Satire oder Karikatur muss sich also innerhalb dieses Spannungsfeldes bewegen. Wenn eine Satire oder eine Karikatur nicht etwas vorhandenes übertreibt oder überpointiert, sondern ohne reale Grundlage in eine vollkommen absurde Richtung zielt, wird in vielen Fällen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen schwerer wiegen. Die Satire ist dann unzulässig.
Satire und Karikatur sind auch dann unzulässig, wenn sie die Grenzen des für den Betroffenen erträglichen überschreiten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie beleidigend sind. Der Betroffene muss es auch nicht dulden, dass er besonders obszön karikiert wird oder durch sexuelle Darstellungen gedemütigt wird. Entscheidend ist, ob die Darstellung auf die persönliche Ehre des Betroffenen abzielt oder auf äußere Umstände wie politische Verhältnisse.
Folgende Beispiele sollen verdeutlichen, in welchen Fällen die Grenzen des erlaubten überschritten worden sind:
Der Chefredakteur und Verlagsführer eines Nachrichtenmagazins, der den Werbeslogan „Fakten, Fakten, Fakten…“ propagiert, wird ohne irgendeine sachliche Veranlassung mit der Sprechblase „ Ficken, ficken, ficken…“ als Karikatur dargestellt.
Die Karikatur „Strauß-Peep-Show“: hinter einem Seeschlitz ist eine nackte Frau abgebildet, daneben ein Wolf mit dem Kopf von Franz Josef Strauß. Hinter dem anderen Seeschlitz erkennt man einen nackten fetten Mann, ebenfalls mit der Kopfkarikatur von Franz Josef Strauß.
Ein Politiker wurde grafisch so in eine schwarz-weiß-rote Fahne einbezogen, dass sein Rumpf und die unnatürlich abgewinkelten Arme und Beine die Form eines Hakenkreuzes angenommen hatten.